Die schmutzigen Hände

Foto: Birgit Hupfeld
von Jean-Paul Sartre
Schauspielhaus
Premiere 28. Oktober 2022
2 Stunde 15 Minuten, keine Pause
TEAM
BESETZUNG
Lea Ruckpaul (Jessica)
Manja Kuhl (Olga / Karsky)
Annie Nowak (Louis / Prinz)
Mark Tumba (Slick / Iwan)
Sebastian Kuschmann (Georges / Parteimitglied)
Philipp Rohmer (Live-Musik)
Miguel Graetzer (Live-Video)
INHALT
Der junge Hugo ist auf der Suche – danach, etwas in seinem Leben zu bewirken, danach, mehr als die Rolle des bürgerlich-aufgeklärten jungen Mannes zu spielen. Diese Suche macht ihn zum Getriebenen. Er nimmt einen Auftragsmord an: Es geht darum, den Parteiführer der kommunistischen Bewegung, Hoederer, zu töten, der mit den konservativen Kräften verhandelt und als Verräter gilt. Gemeinsam mit seiner Frau Jessica zieht Hugo bei ihm ein. Als dessen Sekretär lernt er Hoederer als charismatischen Menschen kennen und beginnt, dessen Argumentation und Handeln nachzuvollziehen. Gleichzeitig rückt er von seinem Auftrag immer weiter ab. Erst als er vermutet, dass Hoederer und Jessica ein Verhältnis haben, bringt er diesen um. Zwei Jahre später wird er die Geschichte vor der Partei erzählen – und fordern, dass der Mord nicht aus Eifersucht, sondern aus politischen Motiven erfolgt ist.
Sartres Stück wurde 1948 uraufgeführt und ist eine Abrechnung mit Ideologien jeder Art. Lilja Rupprecht legt mit ihrer Inszenierung die Widersprüchlichkeit des Textes frei und sucht nach der Komplexität der Suchbewegungen des Lebens. Entscheidet der Mensch über das Leben – und inwiefern bestimmt ihn eine einmal getroffene Entscheidung? Wie sehr muss man sich, wie Hoederer sagt, die Hände schmutzig machen – beziehungsweise gibt es »gutes« Handeln überhaupt?

Wir weisen Sie darauf hin, dass bei der Aufführung Schüsse fallen und Stroboskoplicht zum Einsatz kommt.


PRESSESTIMMEN
»Getragen wird der Abend auch durch die Schauspielerinnen Manja Kuhl als Olga und Lea Ruckpaul als Jessica, Hugos aufreizend verspielte Frau. Nur vermeintlich sind dies Nebenrollen, denn tatsächlich wird ihr weibliches Staunen über den
männlichen Streit zur zentralen Perspektive, wenn die eine der kalten Parteilinie ihre Sehnsucht entgegensetzt, während die andere, vermeintlich unpolitische ein moralisches Bewusstsein entwickelt. Da gehen zwei Frauen nicht nur von entgegengesetzten Enden, sondern aus zwei Welten kommend einen langen Weg aufeinander zu. […] Stark und schwach zugleich sind diese Figuren, derb und zärtlich und also widersprüchlich und der Vereinnahmung durch eine ideologische Idee längst
entwachsen. So wie die These selbst sich irgendwann auflöst in dieser irrwitzigen Geschichte über Verbrechen und gebrochene Versprechen, über Missverständnisse, Enttäuschungen, Verrat und Liebe, wie es eben nur das Theater erzählen kann.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31. Oktober 2022
»Lilja Rupprecht […] hat Sartres Vorlage deutlich gestrafft und ihren, aller historischen Bezüge entkleideten, Kern heraus destilliert. […] Sie hat das gesamte Personal mit Masken verkleidet, die nur hin und wieder mal kurz abgenommen werden, so dass der Mensch hinter seiner Maske, wie gesagt kurz, ganz kurz, hervortritt. Sie hat den Raum, den die Bühnenbildnerin Anne Ehrlich, mit drastischer Symbolik und zugleich karg und nüchtern, wenn auch mit sozusagen doppelt einleuchtenden Spiegeleffekten versehen hat, konsequent für ihr ‚Kammerspiel’ genutzt. Über der Spielfläche pulsiert ein riesiges, rotes Herz, in einer Art Drahtkäfig gefangen. Die karge, weite Bühne selbst, nur mit den notwendigsten Requisiten ausgestattet, betont zugleich den Modellcharakter des Geschehens wie seine realistische Grundierung. […] Lilja Rupprecht, die Regisseurin, hat konsequent auf alle historischen Bezüge verzichtet. Das heißt den Modellcharakter des Stücks herausgestellt. Politische Differenzen, moralische Probleme, private Interessen werden miteinander konfrontiert. Allein wie Jessica, Hugos Frau, gleichsam die wahren kommunistischen Motive, nämlich ihr Interesse an einem glücklichen Leben, unter den gegebenen politischen Bedingungen versucht durchzusetzen, was Lea Ruckpaul faszinierend auf die Bühne bringt, allein Jessica zeigt also die ganze Erbärmlichkeit eines Prinzipienreiters (den Fridolin Sandmeyer überzeugend darstellt), der am Leben vorbei lebt, und entsprechend über die Wupper geht.«

faust-kultur.de, 1. November 2022
»Mit Lea Ruckpaul stolziert in Gestalt von Hugos zupackender Ehefrau Jessica ein darstellerisches Schwergewicht ebenso kokett wie durchtrieben durch die Szene. Mit der anfänglichen Attitüde eines Blondie-Doofchens, ganz in treublaues Geschenkband gewickelt, macht sie ihrem schlappen Angetrauten zuverlässig Beine und entwickelt in Kontrast zu ihm Courage, intellektuellen Scharfsinn und politischen Überlebenswillen. Manja Kuhl entdeckt in der kadertreuen Kommunistin Olga mehr geheimnisvolle Beweggründe als vermutet und Annie Nowak macht aus dem brachialen Hardliner Louis eine dralle Witzfigur voll spielerischer Energie.«
Frankfurter Rundschau, 31. Oktober 2022
»Spannend vielschichtig und geheimnisvoll spielt Lea Ruckpaul die Ehefrau. Mit Leichtigkeit wickelt sie die Männer um den Finger – und dennoch scheint dieses Vermögen ihr kein Vergnügen zu bereiten. Sie ist der heimliche Mittelpunkt im Sartre-Stück. […] Regisseurin Rupprecht hat es richtig gemacht, die Rolle mit einer starken Schauspielerin zu besetzen.«
Main Echo, 9. November 2022
»Die Regisseurin Lilja Rupprecht […] richtet ihre interpretatorischen Suchbewegungen auf weitere, im Stück sehr präsente und präzise Inhalte abseits aller Thesenhaftigkeit. [...] Lea Ruckpaul als Hugos Frau Jessica nimmt sich gleich mit einer irren Tangoparodie den prominenten Platz, den sie während der gesamten Aufführung nicht zu verlassen gedenkt. In ein blaues Cocktailkleid eingewickelt wie in ein Bonbonpapier, ist sie unter ihrer süßlichen Überspanntheit die eigentlich treibende Kraft. In den politischen Auseinandersetzungen mit Hoederer verliert Hugo äußerlich keinen Zentimeter seiner Überzeugung, innerlich aber schon. [...] Bei allem Spiel, bei allen Ideen, blinkenden Lichtern, dem schönen Duett von Jessica und Olga auf der Kinderschaukel, der Granate, die nun anstelle des Herzens zerbirst – ist es gut, dass die Wortgefechte zwischen Hugo und Hoederer pur inszeniert sind.«
Strandgut, Dezember 2022
Foto: Birgit Hupfeld
Sympathische Leute, nicht?
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