Die Goldberg-Variationen
von George Tabori
Kammerspiele
Premiere 10. Juni 2022
ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
TEAM
Regie: Data Tavadze
Bühne und Kostüme: Wolfgang Menardi
Musik: Nika Pasuri
Dramaturgie: Julia Weinreich
Licht: Johannes Richter
Dolmetscherin: Irina Bondas
BESETZUNG
Anna Kubin (Terese Tormentina)
Peter Schröder (Mr. Jay)
Mark Tumba (Masch)
Torsten Flassig (Goldberg)
Wolfgang Vogler (Raamah)
Jonas Harksen (Live-Musik)
INHALT
In »Die Goldberg-Variationen« verknüpft George Tabori die biblische Schöpfungsgeschichte und die Christus-Passion mit einer Theaterprobe: Der Regisseur Mr. Jay probt mit seinem Assistenten Goldberg und Schauspieler:innen Szenen aus der Heiligen Schrift – vom Garten Eden bis Golgatha ist alles dabei. Doch die Proben geraten außer Kontrolle und die Bibelrevue endet mit einer Regisseurspassion. Es ist ein Theaterkreuzweg, in dem Licht- und Musikeinsätze grundsätzlich zur falschen Zeit kommen, Schauspieler:innen auftreten, die ihren Text nicht können, und Terese Tormentina sich weigert, die Paradiesszene nackt zu spielen. Vor allem aber ist es eine Genesis: die Erschaffung der Welt als Theater und das Theater als die Erschaffung der Welt. Regie führt Data Tavadze, der oft klassische Dramen mit Gegenwartsfragen verbindet. Er leitet das Royal District Theatre in Tiflis und ist u. a. mit dem Sandro Achmeteli Preis ausgezeichnet worden.
PRESSESTIMMEN
»Wolfgang Menardi verantwortet Bühne und Kostüme genial: Die Mitspieler im Theater auf dem Theater in wechselnden Rollen Wolfgang und Mark (mit vertauschten Rollennamen, Mark Tumba und Wolfgang Vogler) zeigt er als pöbelnde Jungnazis oder Anarchos – wie Kain und Abel eben. Alle Weiblichkeit der Welt verkörpert Anna Kubin […] als Terese Tormentina oder auch putzende Miss Mopp – die Namen sind selbstverständlich Programm. In wechselnden Variationen(!) wird die Schöpfung neu erzählt, Traum oder Alptraum eines Schöpfergottes und Theaterregisseurs, in jeder Hinsicht genial verkörpert von Peter Schröder.«
Strandgut, Juli 2022
»So absurd, so gut.«
Main-Echo, 29. Juni 2022
»Es ist eine zeitlose Komik darin und so eine Abgründigkeit. Ich finde es ist absolut noch ein sehenswerter Stoff und er hat sich verändert durch die aktuellen Diskurse. […] Es ist eine sehr aufsehenerregende Bühne, die Wolfgang Menardi gestaltet hat. […] Allen voran Peter Schröder, der diesen Regisseur spielt, den fand ich wirklich umwerfend, weil der sehr facettenreich agiert. Er kehrt sowohl das Tyrannische dieses Regisseurs nach außen und ist auch sehr berührend, weil er wirklich einen sehr alten Mann spielt. Aber auch die einzige Frau auf der Bühne […], das ist Anna Kubin, die in wechselnden Rollen sehr albern agiert, ist eine Schauspielerin, die auch sehr körperlich spielt. […] Der ganze Abend spielt mit diesen surrealen Effekten, das ist schon sehr gut gemacht.«
Deutschlandfunk Kultur - Fazit, 10. Juni 2022
»Der Reiz an Tavadzes Inszenierung von George Taboris 1991 uraufgeführten "Goldberg-Variationen", die jetzt in den Kammerspielen des Schauspiels Frankfurt zu sehen ist, liegt genau in diesem Kontrast. Gespielt wird nicht wie bei Tabori auf einer Bühne, sondern in dieser Bruchbude, die Wolfgang Menardi wundervoll detailversessen in Einrichtung und Kostümen geschaffen hat und die zugleich auf alles verweist, was das Theater kann. […]Und wie Schröder sich heraus und hinein windet in dieses Regisseurskostüm, wie er zwischen Selbstmitleid und Unverschämtheit wechselt, das ist wunderbar fein gespielt, ein großes Vergnügen. Sein Mitspieler und Gegenpol ist der titelgebende Goldberg, den Torsten Flassig regelrecht verkörpert, ein Mann, der versucht, all das Schräge, Schiefe, Kippende irgendwie aufzuhalten und gutzumachen […] Mark Tumba und Wolfgang Vogler tauschen als Rollennamen einfach ihre Vornamen untereinander aus und sind als amüsant kostümierte Engel und Teufel, in wechselnden Uniformen alles zugleich, SA und Pimpfe, Pfadfinder und Soldaten, Kain und Abel und all jene Wegmarken, mit denen Tabori das Theater, die Bibel, die jüngere Weltgeschichte, sogar sich selbst, auf die Bühne gebracht hat. Und Anna Kubin als glamouröse Star Terese und patente Putzfrau "Moppel" kostet lustvoll die Rollenklischees aus. […] Man stellt verblüfft fest, dass in Taboris 1991 uraufgeführtem Text auch ein heutiger Krieg, Sexismus, Klassismus, die Frage nach den Machtstrukturen des Theaters geborgen sind. Es rumort, schmerzt auch, aber auf eine sehr lässige, witzige Weise, während der in der Küche installierte Pianist Jonas Xaver Harksen (Musik Nika Pasuri) auch Bachs "Goldberg-Variationen" anspielt, damit auch wirklich alles stimmt in dieser Theaterwelt, von der man sich bis zum Schluss nicht so wirklich sicher ist, ob Mr. Jay sie sich bloß erträumt, als Wunschtraum oder Albtraum oder beides. Ohne Theater jedenfalls, das wird nicht nur am Ende offenbar, ist die Welt wüst und leer.«
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Juni 2022
»Auch die mehrfach besetzte Anna Kubin mischt mit ihrer schrillen, comicstriphaften Überzeichnung die fiktiven Theaterproben auf. Ob als lebendes sexy Putzfrauen-Vorurteil oder als einst erfolgreiche Terese Tormentina, die sich im Kampf mit dem notgeilen Regisseur weigert, in der Paradiesszene als Eva nackt aufzutreten. Ganz zu schweigen von Wolfgang Vogler in der Rolle des schwer beleidigten Raamah samt Riesenpelz und Schleppe, der über ein zu kleines Feigenblatt als Adam lamentiert, und von Mark Tumba als unbeholfener Paradiesschlange, die zu unkontrollierten Wutausbrüchen neigt und jede Kostümszene verstolpert. […] Wie das anfangs heiter überdrehte Küchengespräch zwischen Vater und Sohn in blutigen Ernst kippt, wie der erst unbefangen lachende, dann sich ahnungsvoll windende Mark Tumba als Isaac von dem um Gottes Aufmerksamkeit ringenden Abraham (Wolfgang Vogler) abgeschlachtet wird, lässt das Blut gefrieren. Der Schöpfer ist fehlbar, sein Engel wird nicht kommen; vielleicht nie, lautet die bittere Erkenntnis. So fügt Tavadze Taboris Bibelszenen eine weitere hinzu: Die Apokalypse. Und formuliert seine Analyse deutlich: Mit einem unkonzentrierten, todesmüden Gott schwindet in diesem Vernichtungskrieg auch die Macht, mit der Theater die Welt erklären und utopisch zu verändern vermag.«
Frankfurter Neue Presse, 13. Juni 2022
»Verflochten ebenso die verbliebenen Darsteller, die hier Wolfgang und Mark heißen, von Mark Tumba und Wolfgang Vogler gespielt werden und zwillingshaft auftreten. Die beiden Schauspieler – Tumba und Vogler machen das wunderbar - können einem ziemlich auf die Nerven gehen.«
Frankfurter Rundschau, 13. Juni 2022
Johann Sebastian Bach, oder die Welt geht unter.