Michael Kohlhaas
nach Heinrich von Kleist
Für die Bühne bearbeitet von Felicitas Brucker und Alexander Leiffheidt
Schauspielhaus
Premiere 19. September 2021
ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause
TEAM
Regie: Felicitas Brucker
Bühne und Kostüme: Viva Schudt
Video/ Animation: Luis August Krawen
Musik: Mark Badur
Choreografie: Graham Smith
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt
Licht: Johannes Richter, Ellen Jaeger
BESETZUNG
Sebastian Reiß (Kohlhaas)
Matthias Redlhammer (Luther / Kurfürst von Sachsen)
Stefan Graf (Wenzel von Tronka / Scharfrichter)
Sarah Grunert (Lisbeth / Hinz von Tronka / Nagelschmidt)
Annie Nowak (Herse / Kunz von Tronka)
Nils Kreutinger (Schlossvogt / Sternbald / Prinz von Meißen)
INHALT
Die Geschichte des Bürgers Kohlhaas, der zur Selbstjustiz greift und schließlich in seinem Verlangen nach Gerechtigkeit so unbedingt wird, dass er über Leichen geht, zählt zu den bekanntesten und zugleich komplexesten Werken Heinrich von Kleists. Wie in einem Vexierspiel erscheinen der Protagonist und seine Widersacher uns bald im Recht, bald im Unrecht, bald beides zugleich. Wie ist das möglich? Wie viele unterschiedliche, gar konkurrierende Gerechtigkeiten gibt es? Und wie lässt sich Gerechtigkeit in letzter Instanz begründen?
Die Erfahrung der Krise, die die Welt seit knapp zwei Jahren in Atem hält, hat gezeigt, von welcher Relevanz diese Fragen sind – dann nämlich, wenn in einem Ausnahmezustand verschiedene Konstruktionen von Gerechtigkeit kollidieren. An dieser Bruchstelle beschreibt Kleist das Phänomen einer eruptiven Gewalt, die beinahe richtungs- und unterscheidungslos alles zerstört. Felicitas Brucker spürt in ihrer Inszenierung diesen modernen Aspekten eines beunruhigenden Textes nach.
Die Erfahrung der Krise, die die Welt seit knapp zwei Jahren in Atem hält, hat gezeigt, von welcher Relevanz diese Fragen sind – dann nämlich, wenn in einem Ausnahmezustand verschiedene Konstruktionen von Gerechtigkeit kollidieren. An dieser Bruchstelle beschreibt Kleist das Phänomen einer eruptiven Gewalt, die beinahe richtungs- und unterscheidungslos alles zerstört. Felicitas Brucker spürt in ihrer Inszenierung diesen modernen Aspekten eines beunruhigenden Textes nach.
PRESSESTIMMEN
»Brucker hat den Klassiker schnörkellos und mitreißend auf die Bühne gestellt. Sebastian Reiß ist ein erst leiser und zurückhaltender Kaufmann, der mit seinem Knecht auf Reisen geht, um Pferde zu verkaufen. Im Laufe des Stückes radikalisiert er sich immer mehr. Wird zum wütenden, aggressiven uns verrohten Mensch, der alles niederbrennt und irgendwann auch über Leichen geht. Diese Wandlung vom Unscheinbaren zum Entfesselten ist dermaßen packend gespielt, dass man es kaum aushält beim Zusehen.«
Main-Echo, 28. Januar 2022
»Obwohl dieser Abend als kraftvolle Ballade angelegt ist, die über anderthalb Stunden alle Spannung aufbietet, die der Text hergibt, ist sie doch eher der Analyse des Konflikts verpflichtet als seiner plakativen Zuspitzung. […] Neben Sebastian Reiß sind fünf Darsteller für alle Rollen und den Erzähltext zuständig, das funktioniert gut und bleibt übersichtlich. Nils Kreutinger ist als Schlossvogt, mit dessen Provokation das Unheil überhaupt beginnt, so abstoßend fies, wie man nur sein kann, Stefan Graf als sein Chef auf der Tronkenburg wirkt reichlich hilflos gegenüber dem Ausmaß der mörderischen Brandstiftung, Annie Nowak skizziert den Kohlhaas-Knecht Herse als geduckte Opferfigur, Matthias Redlhammer macht als Kurfürst von Sachsen eine politisch staatstragende Figur. Besonders Sarah Grunert fällt auf durch ihren wechselvollen Zugriff auf mehrere Rollen – aus der starken Lisbeth Kohlhass wird später der Mörder Nagelschmidt, und zwischendurch macht sie aus der Erzählung der immer mehr verwirrten juristischen Winkelzüge eine komische Choreografie. […] Grimmigen Witz bringt diese Inszenierung nämlich auch noch mit. Aber sie überzeugt nicht nur, weil sie platte Deutungen meidet, sondern auch durch den Blick auf die Ränder der Kohlhaas-Bewegung.«
Allgemeine Zeitung Mainz, 22. September 2021
»Dass Freiheitskampf und Terrorismus zwei Seiten einer Medaille sind macht dieser dramatisch drastische Abend spielend deutlich. Brucker findet dafür mitreißend apokalyptische Bilder, die erschrecken und betören. Damit gelingt ein herausragender Abschluss für diesen Frankfurter Eröffnungsreigen.«
Deutschlandfunk - Kultur heute, 21. September 2021
»Ein sehr starker Beginn: Redlhammers ostentative Unempörtheit gegenüber Kohlhaasens Verbrechen verdeutlicht erst recht das Monströse der Taten. […] Eine massive Dynamik und Lebendigkeit, kraftvolle Bilder für die Gewalt, die selten direkt zu sehen ist, fast immer nur in ihrer Wirkung auf den geschundenen Körper des Opfers.[…] Brucker kommt ins Erzählen, es ist kein Nacherzählen und Illustrieren, es ist ein reflektierter Gang durch das Geschehen. […] Großartig wird die Kammer dafür nach oben gefahren, sie wird zur Spitze der Setzkastenburg, in der die elenden Tronka-Leute das Sagen haben […] Brucker erzählt zügig, ohne Unterlass, sie hat ein vorzügliches Gespür für Geschwindigkeit, denn so gut kann man den Text gar nicht kennen, um nicht doch vor Wut ein pochendes Herz zu bekommen. Andererseits überspringt sie auch nichts (oder wenig), so dass der Knecht Herse, […] die ersten legalen Schritte des Kohlhaas zumindest begreiflich gemacht werden. Das Begreiflichmachen, das dazu beiträgt, dem Text diese drastische Intensität zu geben, verliert auf der Bühne nichts an Dringlichkeit, auch nichts an der kalten Neugier. […] Das Schauspiel […] macht uns ganz betroffen, nicht indem es belehrt, sondern indem es zu Beginn der Postcoronaära großes Theater macht.«
Frankfurter Rundschau, 21. September 2021
Ein Rebell bist du.