Liberté oh no no no

Foto: Robert Schittko
von Anja Hilling
Auftragswerk des Schauspiel Frankfurt
Kammerspiele
Uraufführung 14. Januar 2022
ca. 1 Stunde 50 Minuten, keine Pause
Wir weisen Sie darauf hin, dass bei der Aufführung an einigen Stellen Stroboskoplicht zum Einsatz kommt.
TEAM
BESETZUNG
Angelika Bartsch (MA, uvm.)
Mark Tumba (V, uvm.)
Uwe Zerwer (PA, uvm)
INHALT
»Im Zentrum steht R. R ist eine Frau (!).« Eine Tochter aus gutem Haus, gefüttert mit den Ingredienzen der Gegenwart: Der Freiheit, jemand zu sein, sich selbst zu definieren, einen Beruf zu finden. Aber wessen Vorstellungen folgen wir, wenn wir unser Selbstbild entwickeln? Welche Grenzen bestimmen unser Dasein, unser Geschlecht, unser Begehren? Inspiriert von Rimbauds »Illuminationen« entwickelt Anja Hilling ein irisierendes Stationendrama: Schlaglichter der Kindheit wechseln sich ab mit Szenen einer jungen Berufstätigen, Großstadtbilder knallen auf Momente absoluter Einsamkeit. Anja Hilling ist eine Poetin unter den zeitgenössischen Dramatiker:innen. Splitter unserer Gegenwart verdichtet sie in ihrem neuen Stück zu einer rasenden Suchbewegung nach – Glück? Schmerz? Liebe? Gott? Freiheit? Oh no no no…
Gefördert vom Patronatsverein.
PRESSESTIMMEN
»Obwohl dieses in zahlreiche Einzelszenen leporelloartig aufgeblätterte Stationendrama im Grunde nach der großen Bühne ruft, entfaltet Regisseur Sebastian Schug die furiose Geschichte im überschaubaren Kammertheater des Schauspiels Frankfurt. Statt auf bühnentechnisch aufwendige Kulissenwechsel zu setzen, sorgen zahlreiche Requisiten für Abwechslung […]. Als stimmiges Passepartout für diese melancholische Maxime erweisen sich die durchweg wunderschönen, durch die Live-Musik von Thorsten Drücker unterstützten Gesangseinlagen, deren Nachdenklichkeit wie eine Erfrischungsbrise inmitten der hochkomprimierten Ereignisabfolge anmutet. Man kann kaum bestreiten, dass Schugs Realisierung sehr berührende Augenblicke erzeugt und mithin existenzielle Grunderfahrungen der condition humaine atmosphärisch überzeugend auf die Bühne bringt.«
Theater der Zeit, Februar 2022
»Es geht also um diese besondere Form der Freiheit, nämlich die des finanziell abgesicherten Individuums zur Selbstverwirklichung, es geht um gesellschaftliche Zwänge und das immer schon vergebliche Begehren nach dem großen Ausbruch. Das klingt so banal wie bekannt, erfreut aber doch, weil Hilling ihre Gegenwartsbeobachtungen zu feiner Sprache formt: denn R ist eine (Achtung Zitatmix) burgerliebende bargeldloszahlende Bürgerin, die für heute, für nichts, die Seele über die Schulter wirft. […] So richtig lebt das verspielte intertextuelle Gebäude um R wie Rimbaud wie Realität wie Radius-der-Welt […], weil Sebastian Schugs Inszenierung das schale neoliberale Freiheitsversprechen in die richtige Stimmung verpackt, in eine schaurigschummrige Nebelbank, die weich und comfy ist, aber zugleich durchzogen ist von stressig flackernden Neonröhren und aggressiv blinkenden LEDs . […] Und auch, weil die irrlichternde Figurenkonstellation rund um R […] in flottem Tempo immer neue Lebenssituationen anfährt, um dort immer neue Verwerfungen der ach-so-selbstverständlichen Freiheit zu finden«
nachtkritik.de, 17. Januar 2022
»Regisseur Sebastian Schug unternimmt bei der Uraufführung auf der Bühne der Kammerspiele nun erfreulich unerschrocken sehr viele wilde Kunstgriffe […] Bühnenbildnerin Thea Hoffmann-Axthelm verteilt die Wohnzimmerecke der Eltern, ein Himmelstransparent, eine Treppe, Klavier und Schlagzeugset so im Raum, dass die Regie damit über zwei Stunden hinweg ein munteres Durcheinander anzetteln kann. Vor allem die Energie, mit der sich Lotte Schubert in die Figur R hineinwirft, ist bemerkenswert. Zwischen Sprechgesang und Philippika, mit Wasser bespuckt, mit Gartenerde überschüttet, mit Blut am Hals und verlaufenem Kajal auf den Wangen quält sich diese Hauptfigur mit dem Ich und der Welt. Lotte Schubert treibt ihre R bis zur Erschöpfung und reißt sie mit neuem Elan immer wieder heraus. Es ist absolut erstaunlich, was diese Schauspielerin dem Text schon rein physisch abringt.«
Darmstädter Echo, 17. Januar 2022
»Es ist ein Stationendrama. R purzelt von einer Szene in die nächste und die sind tatsächlich nicht so sehr illustrativ, sondern im Prinzip aus dem Gedächtnis von R erzählt. Anja Hilling macht das extrem virtuos, indem sie für jedes Zeitalter eine bestimmte Musik sucht, die Thorsten Drücker wie eine melodramatische Musik unter die ganzen Szenen legt und sie schafft es über die Texte tatsächlich immer die Sprache eines gewissen Lebensalters und auch die sprachlichen Situationen eines gewissen Lebensalters einzufangen. Das ist sehr gut gemacht.
[…]
Sebastian Schug hat das sehr groß angelegt auf dieser kleinen Bühne, nämlich sehr virtuos mit sehr viel Körperlichkeit mit sehr vielen Elementen […]. Es ist ein großes rasantes Durcheinander mit sehr viel Musik, ein dynamisches Durcheinander, dass aber auch immer wieder ruhige Situationen und ruhige Szenen hat durch die unglaublich gut gemachten Songs. Lotte Schubert, Angelika Bartsch, eine hervorragende Sängerin, aber auch Mark Tumba und Uwe Zerwer sensationell als vierer Ensemble. Eine sehr gelungene Vierarbeit auf dieser kleinen Bühne mit dem neuen Stück.«
Deutschlandfunk Kultur, 14. Januar 2022
»Als R wird Lotte Schubert zu einer Art Animateurin, die statt Trainingseinheiten bedeutungshuberische Textpassagen an den Mann und die Frau bringen muss. Sie tut das mit einer bewundernswerten Energie, wie die anderen drei auch.«
Frankfurter Rundschau, 17. Januar 2022
Foto: Robert Schittko
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