Emilia Galotti
von Gotthold Ephraim Lessing
Schauspielhaus
Premiere 14. April 2018
1 Stunde und 45 Minuten, keine Pause
TEAM
Regie: David Bösch
Bühne: Patrick Bannwart
Kostüm: Meentje Nielsen
Video: Falko Herold
Dramaturgie: Alexander Leiffheidt
BESETZUNG
Sarah Grunert (Emilia Galotti)
Katharina Bach (Orsina)
Olivia Grigolli (Mutter)
Fridolin Sandmeyer (Marinelli)
Isaak Dentler (Gonzaga)
Wolfgang Vogler (Appiani)
Sebastian Kuschmann (Vater)
INHALT
Über der Macht steht das Gesetz – das ist ein Grundgedanke freier demokratischer Ordnungen. So entsteht unter anderem der geschützte Raum des Privaten. Doch das Gesetz ist abstrakt, bürokratisch, so dass die Sehnsucht nach starken Machthabern, die per Dekret und Donnerschlag regieren, heute plötzlich wieder an politischer Kraft gewinnt. Was bedeutet das? »Wer kein Gesetz achtet, ist ebenso mächtig, als wer kein Gesetz hat«, stellt Odoardo fest, dessen Tochter vom Prinzen des Landes begehrt wird. Emilia ist aber längst dem Grafen Appiani versprochen. Damit die Schöne stattdessen seinem Herrn zukommt, lässt der Politiker Marinelli am Tag der Hochzeit Appiani töten und Emilia entführen. Die Macht nimmt sich, was sie will. Was bleibt Odoardo, was Emilia? Lessings Trauerspiel untersucht den Einbruch der Willkür in das Private.
PRESSESTIMMEN
»David Bösch braucht nicht viel für große Momente. […] In zehn, zwanzig Sekunden erschafft Bösch ganz leichtfüßig ein großes Bild. Als Theaterzauberer wurde er schon häufig charakterisiert. Zu Recht. [...] Er (Gonzaga) ist kein skrupellos-strategischer und ganz gewiss kein charismatischer Herrscher – sondern ein Getriebener [...] Wie Isaak Dentler diesen Abgehalfterten spielt, ist ein Ereignis. Zeternd – „Klagen, nichts als Klagen“ – schlurft er am Bühnenrand entlang, sein Körper verkrampft, alles strengt ihn an, dann wirkt er verunsichert, dann impulsiv.«
nachtkritik.de, 15. April 2018
»Emilia Galotti ist […] weniger ein bürgerliches Trauerspiel, als dass es die Abziehbilder kommentiert, deren sich die Literatur über bürgerliche Tugend seit der Mitte des achtzehnten Jahrhunderts bediente. Die verfolgte Unschuld im kniefreien schwarzen Kleidchen mit weißer Spitze (alle Kostüme Meentje Nielsens sind perfekte Charakterisierungen); […] Über ihren Gatten Tugendgetue, dem alles verdächtig und jeder Schritt einer vom rechten Wege ist, sagt Claudia Galotti, die Mutter Emilias, von Olivia Grigolli wunderbar gespielt: „Wenn das die Menschen kennen heißt, wer sollte sich wünschen, sie zu kennen?“. Bei Bösch hat sie einige der wenigen Momente, in denen der Verstand spricht. Nur hat sie eben letztlich, wie alle weiblichen Figuren im Stück, nichts zu melden, sondern nur zu reflektieren, so wie die Gräfin Orsina, die Katharina Bach hinreißend als philosophische Diva gibt, die alles schon hinter sich hat und nichts fürchtet. […] eine gedankenreiche und spielfreudige Inszenierung des Trauerstoffs als Tugendtragikomödie mit offenem Ausgang […].«
Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. April 2018
»David Bösch reduziert die Personen auf das Wesentliche. […] David Bösch hat Nebenfiguren weggelassen, und an den Hauptfiguren das herausgearbeitet, was es eben braucht, damit sich diese Tragödie entfaltet. […] alles ist sehr genau, sehr funktional und sehr spannungsvoll in Szene gesetzt. […] Es ist ein Vergnügen Katharina Bach zuzuschauen. Da freut man sich auf jeden Satz und jede neue Bewegung von ihr. […] Es ist eine sorgfältige Inszenierung, die die heillose Selbstzerstörung des bürgerlichen Individuums sehr präzise vorführt. Das Ganze ist mitreißend gespielt und stellt einen sehr intensiven Theaterabend dar.«
hr2-Frühkritik, 16. April 2018
»Ein Augenblick nur liegt zwischen Hoffnung und Trostlosigkeit. Eine einzige Erfahrung genügt, um Emilia Galotti erkennen zu lassen, dass sie keine Chance hat auf ein selbstbestimmtes Leben. So wuchtig erzählt David Böschs Inszenierung Lessings Trauerspiel vom Missbrauch und seinen Folgen. […] Bösch hat den Text auf weniger als zwei Stunden konzentriert, er lässt mit erhellender Genauigkeit Lessing zu Wort kommen, und die Schauspieler verschaffen ausnahmslos der Sprache eine starke Präsenz auf der Bühne. Es braucht auch fast keine Musik, um den Abend emotional voranzutreiben, von Anfang an erreicht Bösch eine starke Spannung. Und sie hält bis zum erschütternden Finale.«
Darmstädter Echo, 16. April 2018
»Isaak Dentler, der Schlapp- und Alertheit des absoluten Kleinherrschers grandios in einer Figur erfasst, will seinen Alltag gerade erst Schwung geben. […] Sein Marinelli, der smarte, dabei nicht wurmhafte, sondern wache, moderne Fridolin Sandmeyer, hat konstruktive Vorschläge. Wie sich die Schurken umeinander winden und um ihre düsteren Pläne: Dramatiker Lessing und Dentler/Sandmeyer gestalten das glanzvoll.«
Frankfurter Rundschau, 16. April 2018
»Schlaglichtartig die – wortlos inszenierte und doch eindeutige – Begegnung des Prinzen mit Emilia zu Beginn in der Kirche. Ein monumentales Lichtkreuz im gewaltigen dunklen Kirchenraum ist von grandioser Wirkung.«
Offenbach Post, 16. April 2018
»Als diese (Orsina) trumpft Katharina Bach […] in ihrer großen Szene auf und zeigt ein authentisch wirkendes Profil einer schillernden, aber tief verletzten Diva. Sehr stark nicht zuletzt Sarah Grunert in ihrer Titelrolle. Sie hat nicht nur eine immense szenische Präsenz durch ihre Körperspannung, auch stimmlich ist sie stark fokussiert. Ihr zeitgemäßes Profil wird schließlich auch beim Schluss deutlich.«
kulturfreak.de, 15. April 2018
»Bösch hat die Handlung auf knapp zwei Stunden zusammengerafft und das Personal auf die Hauptfiguren reduziert. Und er hat das bürgerliche Trauerspiel – so die Gattungsbezeichnung Lessings – durch geschickte dramaturgische Einfälle in eine Tragikomödie verwandelt. Vor allem Isaak Dentler als Prinz von Guastalla und Katharina Bach als seine abservierte Geliebte Gräfin Orsina entfalten auf der meist leeren Bühne genug darstellerische Energie, um die Wortgewalt Lessings auszuagieren.«
faustkultur.de, 19. April 2018
»„Verführung ist die wahre Gewalt“. Diese Angst treibt die von Sarah Grunert mitreißend gespielte Emilia auch auf der Frankfurter Bühne, doch lässt Regisseur David Bösch sie, sichtlich von der Me-Too-Debatte beeindruckt, in seiner ideenreichen, spannenden Inszenierung eine andere Lösung suchen. Tolles Schauspielertheater (Highlight ist Katharina Bachs Gräfin Orsina) mit betörenden Bildern und viel Witz.«
Strandgut, Mai 2018